Notwehr und sonstiges Rechtliches
NOTWEHR und NOTSTAND (DEUTSCHLAND)
Bevor wir uns inhaltlich mit dem Thema Notwehr und Notstand beschäftigen, eine kleine Anmerkung noch zum vorherigen Thema Selbstverteidigung. Da jeder Ju-Shin-Do-Ka sich besser gegen Angriffe verteidigen kann, muss er sich aber auch kontrollieren können und seine Abwehr dem Angriff anpassen. Er darf nicht zu hart sein und muss sich folglich an das folgende Notwehrrecht halten. Also das muss natürlich jeder Bürger, aber von einem trainierten Verteidiger, wird man die Einhaltung strenger bewerten.
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Das Recht zur Notwehr steht im Strafgesetzbuch (StGB) , Viertel Titel: Notwehr und Notstand, als auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) – erläutert im Nachgang.
§ 32 StGB Notwehr
I) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
II) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Notwehrsituation = gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff
gegenwärtig: Angriff steht unmittelbar bevor, hat bereits begonnen, dauert noch an
rechtswidrig: alle Handlungen zu denen der Täter nach den Bewertungsnormen des Rechts nicht befugt ist
Angriff: Angriffe gegen den Körper, Eigentum oder Besitz
Ein Angriff geht immer von einem Menschen aus.
Kommentierungen:
Ein Angriff ist eine unmittelbar bevorstehende oder noch nicht abgeschlossene Verletzung eines Rechtsguts, auch fahrlässig oder schuldlos, ebenso die Bewegungen eines Bewusstlosen.
Bloße Zudringlichkeit oder Belästigungen sind kein Angriff, ebenso wenig ein untauglicher Versuch.
Angreifer kann nur ein Mensch sein, da ein Tier nicht rechtswidrig handeln kann. Angriff ist jedoch, wenn ein Mensch ein Tier auf einen anderen hetzt.
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Ein Rechtsgut muss angegriffen sein, z.B. Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Leibesfrucht, Recht am eigenen Bild, Intimsphäre, Fortbewegungsfreiheit, zustehender Platz in der Schlange, Eigentum, Besitz
Neben dem Schutz der eigenen Person und Rechtsgüter erstreckt sich die Notwehrmöglichkeit auch auf die Abwehr eines Angriffs gegen Dritte.
Deren Verteidigungswille muss artikuliert oder bekannt (erkennbar) sein, der Nothelfer darf seine Hilfe nicht aufdrängen, aber stillschweigendes Einvernehmen ist möglich.
Bei dieser Abwehr eines Angriffs gegen Dritte spricht man von Nothilfe.
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Gegenwärtig heißt wenn der Angriff unmittelbar bevorsteht, begonnen hat oder noch andauert.
Noch andauert bedeutet auch, dass die Wiederholung eines erfolgten Angriffes unmittelbar zu befürchten ist, nicht, wenn ein Angriff erst künftig oder nicht sicher zu erwarten ist.
Hierbei ist auch der zeitliche Zusammenhang von Bedeutung.
Im Klartext bedeutet dies, dass Notwehr nicht mehr geltend gemacht werden kann wenn man einem Angreifer begegnet, der einen vor zwei Tagen überraschend niedergeschlagen hat.
Hier ist durch den fehlenden unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Angriff und Verteidigung Notwehr nicht mehr möglich.
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Gegenwärtig ist z.B. wenn der Gegner den Arm hebt und nach der Waffe greift, n i c h t das Bedroht werden mit einer Pistole und der Aufforderung wegzugehen.
Gegenwärtigkeit ist aber auch bei flüchtendem Dieb oder Wilderer gegeben.
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Die erforderliche Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn der Angreifer keine Befugnis für sein Handeln hat. Diese Befugnis ist z.B. bei der Festnahme durch Polizeibeamte immer gegeben.
! K e i n e Notwehr gegen Hoheitsträger bei Ausübung Ihres Amtes möglich !
Ohne diese Befugnis muss der Angegriffene die Verletzung seiner geschützten Rechtsgüter nicht dulden und darf sich in Notwehr verteidigen.
Eine wichtige Einschränkung besteht auch darin, dass Notwehr gegen Notwehr nicht zulässig ist.
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Verteidigung sind alle Handlungen die den Angriff abwehren und die bestehende Gefahr für die geschützten Rechtsgüter endgültig beseitigen.
Der Verteidiger muss den Angriff für rechtswidrig halten.
Zu diesem Zweck ist sowohl die reine Abwehr (Schutzabwehr) als auch die Durchführung eines Gegenangriffes, die so genannte Trutzwehr, erlaubt.
Daraus ergibt sich, dass selbstverständlich auch eine Bedrohung des Angreifers zur Abwehr erfolgen darf.
Die Abwehr (Notwehr) kann im Extremfall bis zur Tötung des Angreifers führen.
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Die Erforderlichkeit zur Abwehr eines Angriffs ergibt sich aus der Geeignetheit und ausreichenden Dosierung der Abwehrhandlung, die während des stattfindenden Angriffs Diesen beendet oder deutlich abschwächt.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder die Relation zwischen Mittel und Zweck sind bei jeder Abwehrhandlung zu beachten.
Die Art und Schwere des Angriffs entscheiden über die Wahl der Mittel zur Verteidigung.
Die Kampflage (Training, Ausrüstung) bestimmt die Art und das Maß der Notwehr (Kampfsportler).
Stehen mehrere wirksame Mittel zur Abwehr zur Verfügung, hat der Verteidiger, wenn ihm Zeit zur Auswahl eines Mittels bleibt, die mildere Alternative zu wählen (die für den Angreifer weniger gefährliche Alternative - z.B. Schuss auf Beine nicht Brust)
Verbales Abwiegeln, das einen feige oder lächerlich erscheinen lässt, Flucht oder Ausweichen unter Selbstgefährdung ist nicht zumutbar, auch nicht das Zu Hilfe ziehen Dritter.
Mit der Abwehr darf nicht so lange gewartet werden, bis nur noch die Tötung Erfolg verspricht.
Bei einem Angriff gegen Leib oder Leben ist der Einsatz einer Schusswaffe eher geboten als bei einer Verletzung der Ehre.
Etwas anders sieht die Sache bei einem Angriff durch Kinder oder offensichtlich Geisteskranke aus.
Hier wird vom Angegriffenen erwartet, dass er die Situation verbal oder durch Meidbewegungen zu bereinigen versucht.
Dies beinhaltet trotzdem die Möglichkeit, in extremen Fällen auch bei einem Angriff durch Kinder oder geistig kranke Menschen, die eigene Verteidigung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzuführen.
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Wenn zwischen der Schwere des Angriffs und den Auswirkungen der Verteidigung die Verhältnismäßigkeit nicht beachtet beziehungsweise offensichtlich verletzt wird, ist die Verteidigungshandlung nicht von Notwehr gedeckt. („die erforderliche Verteidigung“)
Dies bedeutet, dass in einen solchen Falle der Verteidiger einen Rechtsmissbrauch begeht.
(Schüsse zum Schutz von Biergläsern, Selbstschussanlage zum Schutz vor Pfirsichdiebstählen etc.)
Die Handlung muss gegen den Angreifer gerichtet sein, keine Eingriffe in die Rechtsgüter Dritter sind erlaubt!
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Gezielte Tötung nur zu Verteidigung eines Menschen (finaler Rettungsschuss) ist nur durch staatliche Hoheitsträger erlaubt!
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Der ebenfalls erforderliche Verteidigungswille liegt nicht vor, wenn der Angreifer z.B. vom „Verteidiger“ vor dem Angriff provoziert wurde um den Angreifer dann zu verletzen.
Hat man die Lage sonst rechtswidrig vorwerfbar herbeigeführt, dann muss das mildest zur Verfügung stehende Mittel (Ehebruch – Freund/-in der Frau/Mann, Freund/-in der Tochter/Sohn in der Wohnung) Hier sehr strenge Auslegung der Verhältnismäßigkeit!
"Putativnotwehr" ist gegeben, wenn der Täter irrig die Voraussetzungen der Notwehr annimmt. Hier keine Bestrafung wegen Notwehr, aber evtl. Haftung wegen Fahrlässigkeit.
Der in Putativnotwehr handelnde darf zur Verteidigung nicht mehr tun, als wenn er in wirklicher Notwehr wäre.
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Bei der Putativnotwehr handelt es sich um eine vermeintliche Notwehrlage (von lat. putare = glauben), siehe dort.
Beispiel: Ein Angreifer bedroht einen Jäger mit einer Pistole. Der Jäger schießt auf den Angreifer und verletzt ihn schwer. Er erfüllt also zumindest den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 StGB, die Tat könnte jedoch gem. § 32 StGB (Notwehr) gerechtfertigt sein. Es stellt sich aber heraus, dass die Pistole des Angreifers eine täuschend echt aussehende Spielzeugpistole war, so dass der Schuss auf den Angreifer nicht erforderlich im Sinne des Notwehrbegriffs war. Der abwehrende Jäger konnte dies jedoch im Moment des Erwehrens nicht erkennen und handelte im Glauben einer nicht anders abwendbaren Bedrohung.
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Notwehr ist Beweispflichtig !
§ 33 StGB Überschreitung der Notwehr
Überschreitet der Verteidiger (der Angegriffene) die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.
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Kommentierungen:
Die Grenzen der Notwehr überschreiten bedeutet Maßnahmen zu ergreifen, die über das zur Abwehr erforderliche Maß hinausgehen, und somit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen.
Wird dieser Notwehrexzess aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken begangen, erlaubt der Gesetzgeber dieses überzogene Handeln zwar nicht, duldet bzw. entschuldigt es jedoch.
(Wut, Zorn oder Kampfeseifer sind also nicht gedeckt und nicht jedes Angstgefühl ist Furcht!)
Aus dieser Entschuldigung des stattgefundenen Handelns ergibt sich der so genannte Schuldausschließungsgrund.
Dadurch bleibt das, eigentlich als Fehlverhalten des Verteidigers zu bezeichnende Abwehren eines Angriffs, ohne die sonst üblichen Rechtsfolgen.
In diesem Fall haftet der Verteidiger für seine Handlungen soweit er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.
Affekthandlungen sind somit zwar straffrei aber rechtswidrig – Notwehrrecht des Anderen !
Notwehrexzess
Intensiver Notwehrexzess
Überschreitet der Verteidiger das Maß der Notwehr, so liegt ein intensiver Notwehrexzess vor. Der Verteidiger handelt in diesem Fall rechtswidrig, kann aber dennoch straflos bleiben, wenn er aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken (den sog. asthenischen Affekten) handelte. Entgegen dem Gesetzeswortlaut (vgl. § 33 StGB) handelt es sich nach rechtswissenschaftlich wohl herrschender Meinung um einen Entschuldigungsgrund und nicht bloß um einen persönlichen/subjektiven Strafausschließungsgrund. Nach beiden Ansichten ist jedoch eine strafbare Teilnahme an der Exzesshandlung möglich (vgl. § 29 StGB).
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Wird der Täter von sthenischen (kraftvollen) Affekten wie Wut, Zorn, Kampfeseifer, Eifer- oder Eigengeltungssucht zu einem intensiven Notwehrexzess hingerissen, haftet er grundsätzlich voll. Ihr Hinzutreten schadet jedoch der Feststellung von asthenischen Affekten und der Anwendung von § 33 StGB nicht, wenn es sich um ein Motivbündel handelt.
Auf der Ebene einer Strafzumessungsregel können jedoch vereinzelt Fälle sthenischer Affekte berücksichtigt werden wie etwa Zorn bei Totschlag (vgl. § 213 StGB).
Extensiver Notwehrexzess
Ein extensiver Notwehrexzess ist eine qualitative Überschreitung der Notwehr, so dass die Notwehrvoraussetzungen bereits nicht vorliegen und der Täter voll haftet, etwa Exzess in der Wahl der Mittel (Erforderlichkeit) oder die Verteidigung weiterer, aber nicht notwehrgeschützter Rechtsgüter oder die zeitlich nicht gebotene Verteidigung (Rechtzeitigkeit).
Wenn es an der Gegenwärtigkeit eines Angriffs fehlt und der zu seiner Verteidigung Entschlossene sich darüber hinwegsetzt, ist nach herrschender Meinung § 33 nicht anzuwenden. Vielmehr sei hier zwischen zwei Fallgruppen zu differenzieren
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Wenn der Angriff noch nicht begonnen hat (vorzeitiger extensiver Notwehrexzess) greift § 33 nicht ein, weil die Privilegierung des Täters nur aufgrund asthenischer Affekte gewährt wird. Wer vorher zur Gegenwehr ansetzt, kann nicht die Grenzen der Notwehr überschreiten.
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Wenn aber aus einer anfangs gerechtfertigten Gegenwehr eine rechtswidrige wird, weil der Angriff zwischenzeitlich abgeschlossen ist, so handelt es sich um einen sogenannten nachzeitigen extensiven Notwehrexzess. Hier entspricht die psychische Situation der des intensiven Notwehrexzesses, sodass einer Anwendung des § 33 StGB nichts entgegen steht.
§ 34 StGB Rechtfertigender Notstand
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwehren.
Hier bleibt alles rechtmäßig da vor der Tat eine Güterabwägung (Verhältnismäßigkeitsprüfung) gemacht wurde.
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Eine Notstandslage liegt vor, wenn nur durch die Verletzung/Beeinträchtigung eines Rechtsgutes des Angreifers/Verursachers die Gefährdung eines eigenen Rechtsgutes abgewendet werden kann.
Die Handlung oder Tat des Verteidigers muss zur Abwendung der Gefahr in angemessenem Verhältnis stehen. (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit)
Gefahr bedeutet dabei, dass ein ungewöhnlicher Zustand vorliegt, der den Eintritt eines Schadens für ein geschütztes Rechtsgut wahrscheinlich erscheinen lässt. Hierbei ist als Maßstab die normale und vernünftige Lebenserfahrung heranzuziehen.
Die vom Verteidiger vorgenommene Handlung darf ausschließlich der Gefahrenabwehr von sich oder einem anderen dienen, nur dann liegt ein Rechtfertigungsgrund vor. (Güterabwägung)
Von besonderer Bedeutung ist, dass das Interesse/Rechtsgut des Verteidigers das verletzte Rechtsgut des Angreifers wesentlich überwiegen muss.
Unangemessenheit liegt aber z.B. vor, wenn ein Polizeibeamter oder eine Sicherheitskraft auf Grund ihres Berufes eine über das normale Maß hinausgehende Gefährdung während der Dienstausübung hinnehmen muss.
Der Rettungswille kann nur bejaht werden, wenn das Handeln ausschließlich der Abwehr einer Gefahr für eine Eigenes oder das Rechtsgut eines Anderen dient. Dieser Andere (Dritte) muss seine Einwilligung zur Gefahrenbeseitigung gegeben haben oder würde sie vermutlich erteilen,
wenn er könnte.
Richtet sich das Handeln nicht ausschließlich auf die Gefahrenabwehr oder liegt die erforderliche (vermeintliche) Einwilligung des Dritten nicht vor, liegt kein Rechtfertigungsgrund vor und der Verteidiger begeht als rechtswidrig handelnder Täter eine Straftat im Sinne des Strafgesetzbuches.
Der klassische Fall ist hier gegeben, wenn z.B.:
- ein Schiffskapitän bei sinkendem Schiff das Schott schließen lässt um z.B. 50 Mann
Besatzung zu retten, doch es ertrinken die restlichen 3 Mann im abgetrennten Schiffsteil
- ein Bootsführer möchte Ertrinkende im Wasser retten. Es ist eine Gruppe von 5 Personen im
Wasser, und in gleicher Entfernung treibt nur 1 Person im Wasser. Er entscheidet sich für die
5 Personen; in dieser Zeit ertrinkt die 1 Person
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Kommentierungen:
Auch Rechtsgüter der Allgemeinheit sind erfasst, verfassungsmäßig Ordnung, demokratischer Rechtsstaat, äußere Sicherheit. Ein Pflicht zum Handeln bracht nicht gegeben zu sein.
Was war zu erwarten, wenn die abwendende Tat ausbliebe? (Wärter schießt auf Tiger, der einen Menschen anfällt, dabei könnte er den Menschen treffen)
Wirtschaftsbestimmungen und Verkehrsvorschriften müssen, soweit es um formale Verstöße oder nur abstrakte Gefährlichkeit geht, hinter konkret bedrohtem Individualinteresse zurücktreten.
Nicht: Arzt gefährdet bei Fahrt zum Schwerkranken mit überhöhter Geschwindigkeit andere Menschen
Nicht: Der Täter greift in unantastbare Freiheitsrechte des Betroffenen ein, z. b. durch zwangsweise Blutentnahme zur Rettung des Lebens eines Schwerverletzten.
Beispiel für rechtfertigenden Notstand:
- Zeitweiliger Einschließung eines Geisteskranken in familiärer Selbsthilfe
- Abschuss von Wild zur Abwehr von Wildschaden
- Dingender Krankentransport unter Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit
- Trunkenheitsfahrt um Verunglückten ins Krankenhaus zu bringen (Nicht Leichtverletzten/Rückfahrt)
- Wegnahmen Zündschlüssel zur Verhinderung einer Trunkenheitsfahrt
§ 34 StGB Rechtfertigender Notstand
I) Wer in einer gegenwärtige, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abwendet, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49/I gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.
II) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49/I zu mildern.
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Hier bleibt die Tat rechtswidrig da keine Rechtsgüterabwägung durchgeführt wurde, der Täter wird aber nicht bestraft. § 35 StGB stellt keine Befugnis, sondern lediglich einen Entschuldigungsgrund zur Verteidigung dar. Auch ist gegen die abwendende Tat, da sie rechtswidrig bleibt, Notwehr zulässig.
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Der Personenkreis ist hier auch nur auf Angehörige oder eine nahestehenden Person beschränkt, und nur die drei wichtigsten Rechtsgüter (Leben, Leib, Freiheit) sind erfasst. Nicht: z.B. Ehre oder das Hausrecht
Um eine entschuldigende Notstandslage in Anspruch nehmen zu können, muss der Betroffene objektiv in einer Notstandslage sein, das heißt, die Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit ist gegenwärtig und kann nur durch eine rechtswidrige Tat abgewendet werden.
Anders als in § 34 StGB muss die Gefahr nicht nur einem der aufgeführten Rechtsgüter drohen, sondern die zu erwartende Verletzung muss schwerwiegenden Charakter besitzen. Dies bedeutet, dass bei einer Verletzung des Rechtsgutes Leben - Todesgefahr, bei Leib - schwere Körperverletzung und bei Bedrohung der Freiheit - die Einschränkung der freien körperlichen Fortbewegung drohen.
Die Entschuldigung greift, wenn der Täter durch die Gefahrensituation einem solchen psychischen Druck ausgesetzt ist, dass er sich nicht mehr normgerecht verhalten konnte bzw. ein solches Verhalten nicht mehr zumutbar war.
Die Ursache der auftretenden Gefährdung ist nur von Belang, wenn der Täter (Verteidiger) sie selbst verursacht hat.
Hier greift dann aber der Begriff der Gefahrenhinnahme, wonach der Schuldausschließungsgrund verneint wird, wenn die Gefahr auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses zumutbar ist (Soldaten, Polizisten, Seeleute, Feuerwehrmänner, Bergführer soweit es sich um die damit verbundenen Gefahren handelt), oder der Täter sie selbst verursacht hat:
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z.B. A überredet B zu einer gefährlich Bergtour, als der einen Schwächeanfall erleidet und ein Gewitter aufzieht, lässt A den B im Stich um sein Leben zu retten
Der erforderliche Rettungswille liegt vor, wenn die Abwehrhandlung allein und zielgerichtet der Abwehr einer Gefahr für ein geschütztes Interesse/Rechtsgut des Täters selbst oder einem Angehörigen beziehungsweise einer ihm nahe stehenden Person dient.
Analog zu § 32 StGB (Nothilfe) darf eine Hilfeleistung nicht „unaufgefordert“ durchgeführt werden, zumindest die mutmaßliche Einwilligung des Bedrohten muss vorliegen.
Definition Angehörige gem. § 11 Abs. 1 StGB:
- Verwandte gerader Linie z.B. Eltern, Geschwister, nicht jedoch Geschwisterkinder (Nichten/Neffen) und die Geschwister der Eltern (Tanten/Onkel).
- Verschwägerte gerader Linie: Schwiegereltern, Schwiegerkinder, Stiefvater, Stiefmutter, Stiefkinder
- Ehegatte: das Verhältnis von Ehegatten wird durch Scheidung, Aufhebung oder Nichtigkeitserklärung der Ehe nicht geändert.
- Verlobte: Bei Verlobten ist erforderlich, dass ein „ernst gemeintes und nicht unsittliches“ Eheversprechen vorliegt.
- Geschwister: zu den Geschwistern gehören auch Halbgeschwister (halbbürtig)
- Ehegatten der Geschwister: Diese zählen auch dann zum genannten Angehörigenkreis, wenn die Beziehung durch nichteheliche Geburt entstanden, die Ehe die der Beziehung zugrunde lag geschieden oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist
- Geschwister der Ehegatten
- Pflegeeltern/Pflegekinder: ein tatsächliches Verhältnis, das wie das natürliche Eltern-/Kindschaftsverhältnis auf Dauer ausgelegt ist. Stiefeltern können selbstverständlich auch Pflegeeltern werden.
Andere nahe stehende Person: Hier sind Menschen gemeint, deren Gefährdung auch der Täter als Druck gegenüber seiner Person versteht. Dies kann z.B. zutreffen auf Verwandte, die nicht Angehörige sind (Onkel/Tante/Nichten/Neffen), Lebensgefährten, nahe Freunde, enge Hausgenossen, langjährige Mitarbeiter/Bedienstete.
Auch hier ist eine Abwägung der Handlung vorzunehmen, Gefährdungen also bis zu einem bestimmten Punkt zu akzeptieren bzw. hinzunehmen ohne jedoch in einen Bereich vorzustoßen, der nur noch als Heldenmut bezeichnet werden kann.
Ein bereits mehrfach genanntes besonderes Rechtsverhältnis liegt in der Regel bei Polizisten, Feuerwehrleuten und Personen in ähnlichen Berufen wie Bergwacht, Soldaten und Seeleuten vor, die die für ihre Arbeit typische Gefährdung akzeptieren müssen.
Auch diesem Personenkreis kann jedoch nicht zugemutet werden, in den sicheren Tod zu gehen um ihre Aufgabe wahrzunehmen
Bei der Selbstverschuldung der auftretenden Gefahr (Verteidigungs- oder Abwehrhandlung) genügt z.B. schon Leichtfertigkeit bei der Herbeiführung einer Situation die eine Abwehrhandlung zur Folge hat.
Zumutbarkeit kommt in Betracht bei rechtmäßigen behördlichen Maßnahmen, Verhaftungen, oder wenn nur eine geringfügige Gefahr für Leben und Freiheit durch eine unverhältnismäßig schwerere Tat abgewendet werden soll (Einzelfallentscheidung: Meineid bei Notstand?)
Hier z.B. folgender Fall denkbar:
- ein Autofahrer flieht in einem brennenden Tunnel zur einzigen Feuerausstiegstreppe. Hinter ihm kommen noch andere Fliehende. Als er an der Treppenoberseite die Luke öffnen will gerät er in Panik, da er denkt, die unter ihm stehenden könnten ihn wieder zurück ziehen. Er
öffnet den Deckel und stößt mit dem Fuß die nach ihm Kommenden wieder ins Feuer zurück.
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Hier wäre aber eine rechtmäßige Notwehr der hinter ihm Kommenden gegen den mit dem Fuß Tretenden möglich, da die Tat zwar rechtswidrig ist, der Tretende dafür aber nicht bestraft wird.
Die voran gegangenen Erläuterungen entspringen einem Auszüge aus der 44.Auflage Dreher/Tröndle Strafrechtskommentar
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Buch 1 Allgemeiner Teil - Abschnitt 6 Ausübung der Rechte, Selbstverteidigung, Selbsthilfe
§ 226 Schikaneverbot
§ 226
Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.
Man spricht hier auch von Notwehrprovokation
Ein Sonderfall liegt vor, wenn der Angegriffene die Notwehrlage selbst (etwa durch Provokation des Angreifers) entweder mit Vorsatz oder auf andere Weise herbeigeführt hat. In diesem Fall spricht man von einer Notwehrprovokation.
Einer weiteren Auffassung zufolge bleibt das volle Notwehrrecht auch bei „provozierten“ Angriffen bestehen, da alleine die Tatsache, dass die Notwehrsituation durch eine Provokation entstanden ist, nicht dazu führen kann, dass man sich nicht mehr gegen gegenwärtige, rechtswidrige Angriffe zur Wehr setzen darf.
§ 227 Notwehr
§ 227
(1) Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich.
(2) Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
§ 228 Notstand
§ 228
Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet.
§ 229 Selbsthilfe
§ 229
Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.
§ 230 Grenzen der Selbsthilfe
§ 230
(1) Die Selbsthilfe darf nicht weiter gehen, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist.
(2) Im Falle der Wegnahme von Sachen ist, sofern nicht Zwangsvollstreckung erwirkt wird, der dingliche Arrest zu beantragen.
(3) Im Falle der Festnahme des Verpflichteten ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, der persönliche Sicherheitsarrest bei dem Amtsgericht zu beantragen, in dessen Bezirk die Festnahme erfolgt ist; der Verpflichtete ist unverzüglich dem Gericht vorzuführen.
(4) Wird der Arrestantrag verzögert oder abgelehnt, so hat die Rückgabe der weggenommenen Sachen und die Freilassung des Festgenommenen unverzüglich zu erfolgen.
§ 231 Irrtümliche Selbsthilfe
§ 231
Wer eine der in § 229 bezeichneten Handlungen in der irrigen Annahme vornimmt, dass die für den Ausschluss der Widerrechtlichkeit erforderlichen Voraussetzungen vorhanden seien, ist dem anderen Teil zum Schadensersatz verpflichtet, auch wenn der Irrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruht.
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